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Der Azawad
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wanderten Clans der Tuareg aus dem Adrar, den Bergen im Nordosten Malis, in den Azawad, die (damaligen) Weidegründe im Norden Timbuktus ab. Noch heute tragen die längst weiter gewanderten Fraktionen die Namen der dortigen Brunnen.
Tin Aguelhaj ist ein besonderer Friedhof im Azawad (Bild 1). Ein Clan von Heiligen hatte hier seine Heimat. Zu ihren Gräbern wallfahrten die Menschen. Wer hier sein Gepäck hinterlässt, weiß es in Sicherheit, ein Dieb wäre, so die Legende, verdammt, am Ort zu bleiben.
Rund 220 Kilometer nördlich von Timbuktu, auf gleicher Höhe wie Kidal (im Osten), liegt der kleine Ort Boudjebeha (Bild 2), ein Knotenpunkt im transsaharischen Freihandel, dessen heiße Ware auf schnellen Toyota Pickups (V8 Benziner) transportiert wird, die weniger heiße auf den ausgesonderten Lastwagen der algerischen Armee, vor allem auf Allrad-LKW der Marke MAN. Die Spuren ihrer Reifen durchziehen den Azawad.
Dies ist die Heimat der Berabiche, eines maurischen Stammes, der den Sahara-Handel in der Region Timbuktu beherrscht. Ihre Landgemeinde heißt Salaam, sie erstreckt sich bis zur algerischen Grenze. Mit Badi Ould Ahmed Ganfoud hat die maurische Gemeinschaft seit 2006 auch einen Minister (fonction publique) im Kabinett.
Das seit 2004 manifeste amerikanische Interesse am Azawad hat vor allem mit dem Kampf gegen die algerischen Salafisten (heute ‚Al Quaida im islamischen Maghreb’ - AQIM) zu tun. Die Amerikaner, so sagt man, plädieren für einen Militärflughafen in Taoudeni, im Dreieck zwischen Mauretanien, der West-Sahara bzw. dem Süden Marokkos und Algeriens. Die algerischen Interessen drehen sich vor allem um das Erdöl, das nördlich von Timbuktu prospektiert wird und das man im Raum nahe der mauretanischen Grenze in der Höhe von Taoudeni vermutet.
Auf der Höhe von Boudjebehar liegen die Winterweiden der Berabiche. Hier züchten sie Schafe und Kamele. Mit europäischen Weiden hat das nichts zu tun. Die Gräser stehen wirklich einzeln (Bild 3) und hier wird überdeutlich, warum ein Quadratkilometer solcher Weiden nicht mehr als ein paar Dutzend Tiere verkraften kann. In der kalten Zeit (von November bis Februar), das macht diese Weiden besonders interessant, sind die allein vom Tau benässten Gräser so saftig, daß die Schafe über Wochen nicht zur Tränke müssen. Um die Brunnen scharen sich um diese Zeit große Herden von Kamelen, wie am Brunnen von Boudjebehar (Bild 4).
Die einfachen, flachen und formschönen Zelte der Berabiche, aus langen, schmalen Baumwollbahnen genäht, die früher in Timbuktu neben den Salztafeln aus Taoudeni Währung waren, passen sich der offenen Wüstenlandschaft an. Sie stehen einzeln oder in kleinen Gruppen von zwei, drei Zelten und bieten jeweils einer Familie Platz (Bild 5). Das Wasser wird alle Woche in Tierhäuten von oft viele Kilometer entfernten Brunnen geholt.
Weiter im Westen verläuft die Strecke Timbuktu-Taoudeni, weniger bewohnt und unzugänglicher. Die Dünen erstrecken sich (wie überall im Norden Malis) in nordöstlicher Richtung und sind wie Wellen zu überqueren. Von den Kämmen der mächtigen Dünenwände ergießen sich auf breiter Front die Sandwolken (Bild 6).
265 Kilometer nördlich von Timbuktu liegt der kleine Ort Arouane (Bild 7). Hier wohnen vor allem Tuareg. Der Schweiz-Amerikaner Ernst Aebi hat diesen Ort über die malischen Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht, als er in den 1980er Jahren in diesem Wüstendorf ein kleines Hotel errichtete. Über seine Zeit in Arouane hat er später ein Buch geschrieben (Seasons of Sand. New York 1993). Sein Hotelprojekt ist vom Wind und den Menschen abgetragen worden, sein früheres Wohnhaus steht noch teilweise, und die Bäume, die er in seinem Garten gepflanzt hatte, leben noch; ein schönes Denkmal für ihn (Bild 8).
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Stand: 07/2011
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