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Juli 2005
Im Juli beginnt wegen der einsetzenden Regenzeit die landwirtschaftliche Hauptsaison im Norden Malis. Baeuerinnen und Bauern sind auf den Feldern. Wo der Wasserstand des Niger oder seiner Seitenarme es erlaubt, sind die Saatbeete angelegt oder die Reispflaenzchen schon gross genug, um sie auf die Felder zu verziehen.
In Elwalidji hatten im Jahr 2001 achtzig Frauen auf zwanzig Hektar das erste Bewaesserungsfeld ausschliesslich fuer Frauen angelegt und damit in der Region von Timbuktu ein Novum geschaffen. Am 5. Mai 2005 hatte in Elwalidji die fuenfte Anbausaison mit den vorbereitenden Arbeiten auf den Parzellen begonnen. Ihr Bewaesserungsfeld ist inzwischen auf 25 Hektar angewachsen und die Anzahl der Frauen auf 114. Die spaeter hinzu gekommenen Frauen muessen sich mit kleineren Parzellen begnuegen.
Die Saatbeete liegen dicht am Ufersaum des Niger. Das hat einen Vorteil: sie lassen sich leicht und kostenguenstig bewaessern; und einen Nachteil: die steigende Flut kann die Saatbeete rasch ueberfluten. Das haben die Frauen schon einmal erlebt. Deshalb haben sie sich dieses Mal beeilt. In der letzten Juniwoche waren die Pflanzen fertig zum Repikieren. Bei unserem Besuch sind die Frauen dabei, die Reispflanzen in den Saatbeeten fuer die Vereinzelung auf den Parzellen zu buendeln (Bild 1).
Am spaeten Nachmittag sitzen wir, zusammen mit Kalil Toure, dem Bewaesserungsingenieur aus Dire, im Hof der Praesidentin Adel Bocar (Bild 2). Die letzte Ernte war trotz der Heuschreckenplage gut. 24 Sack Reis pro Hektar stehen im Lager. Deren Verkauf wird die laufende Anbausaison finanzieren. Probleme bereiten die steigenden Treibstoffpreise. Das 200-Liter-Fass Diesel kostete letztes Jahr noch 85.000 FCFA (= € 130), dieses Jahr 97.500 FCFA (€ 150). Letztes Jahr hat der Treibstoffhaendler Diesel aus Algerien geliefert, darunter ein Fass mit schwarzem, verschmutztem Treibstoff. Dem teureren Diesel wollen die Frauen mit Einsparungen beim Kunstduenger und hoeheren Beigaben organischen Duengers begegnen. Das bedeutet viele Tage zusaetzliche Arbeit: Dung und Mist muessen gesammelt und auf die Felder verbracht werden.
Der Stolz steht den Frauen von N’Gorkou ins Gesicht geschrieben (Bild 3, links die Praesidentin Penda Bore): Um das Wasser gleichmaessig auch auf die entlegenen Parzellen zu verteilen, hat man den Durchfluss erhoeht und zu diesem Zweck den mit neunhundert Metern aussergewoehnlich langen Hauptkanal auf 250 Meter ausgekleidet. Einige wenige Felder werden gerade mit Ochsen gepfluegt, auf den meisten lockern die Frauen zusammen mit ihren Soehnen (Bild 4) den Boden mit der Hacke auf.
Soeben hat ihre dritte Anbausaison begonnen. 160 Frauen bewirtschaften auf dem 35 Hektar grossen Bewaesserungsfeld je eine Parzelle. Dieses Jahr wollen sie die Anbauflaeche um fuenf Hektar auf die urspruenglich geplanten vierzig erweitern. Deshalb koennen in dieser Saison bis zu 25 Frauen eine zusaetzliche Parzelle von 0,20 Hektar erwerben, der Einstandspreis fuer die bereits geleistete Arbeit liegt bei 30.000 FCFA (€ 46). Bislang haben nur zwei Frauen bezahlt. „Die reden viel, aber wenn es ans Zahlen geht, sieht die Sache anders aus,“ sagt die Praesidentin Penda Bore zu dem Widerspruch zwischen dem bekundeten grossen Interesse und der mangelnden Zahlungsbereitschaft.
Das gleiche gilt fuer die „Pacht“ (redevance): 120 Frauen haben diese komplett entrichtet (in Naturalien oder Geld), vierzig Frauen hatten Mitte Juni erst einen Teil erbracht. Weil die Hirseernte von den Heuschrecken vernichtet wurde, wollten sie den Reis nicht hergeben, sondern durch Kleinhandel das Geld fuer die Pacht zusammen verdienen. Der Coli-Coli, ein kleiner Seitenarm des Niger, fuehrt das ganze Jahr ueber Wasser, deshalb waren die Saatbeete bereits Mitte Juni angelegt. Drei Wochen spaeter wird mit Repikieren begonnen. Die Praesidentin hat per Radio verkuenden lassen: „Wer seine Pacht nicht bezahlt hat, darf nicht pflanzen.“
Der Sonntag ist Markttag in Douekire. So trafen wir die Frauen im Versammlungssaal gegenueber vom Rathaus (Bild 5). Ihre zweite Ernte, Dezember 2004, war bescheiden ausgefallen: Ursache waren die Heuschrecken, die spaete Flutwelle des Niger und der niedrige Wasserstand des Tessakant, die stete und Nerven aufreibende Sorge an diesem Teil des Flusslaufs. Daraus haben die 120 beteiligten Frauen ihre Konsequenz gezogen: Von diesem Jahr an wollen sie Weizen statt Reis anbauen. Weizen wird erst zu Beginn der kuehlen Jahreszeit Anfang November gesaet, hat eine kuerzere Reifezeit und benoetigt deutlich weniger Wasser. Nicht ohne Grund ist Douekire seit Jahrhunderten Weizenanbaugebiet.
Der Montag ist Markttag in Sarafere. Aus den 65 Doerfern und Weilern der gleichnamigen Gemeinde stroemen die Menschen zum Markt. Auf Eselsruecken oder karren, meist jedoch zu Fuss, die Frauen beladen mit Schuesseln auf dem Kopf, die Maenner Schafe oder Ziegen hinter sich her ziehend. Die Wege sind weit, erst am fruehen Nachmittag sind alle Plaetze besetzt (Bilder 6 und 7).
Aus drei Gruenden ist Lobo Bocoum (48 Jahre alt) besonders dafuer praedestiniert, in der Gemeinde von Sarafere (20.000 Einwohner) erfolgreich gegen die Beschneidung der Maedchen vorzugehen. Sie ist Hebamme im Gesundheitsposten von Sarafere (seit 28 Jahren), sie ist Griotte (und scheut sich nicht, auch die Dinge zu benennen, die vornehme Frauen fuer sich behalten) und ist Redakteurin und Rundfunksprecherin am lokalen Radio (Bild 8). ‚Echo von Sarafere’ (Konngol Fittougua) strahlt seit fuenf Jahren in einem Umkreis von dreissig Kilometern aus. Lobo Bocoum gehoerte von Anfang an dazu und ist mit ihrer Landfrauensendung in Bambara, Fulbe und Songhoi bekannt, so weit die Welle reicht. Seit einem Jahr spricht sie jeden Mittwochabend ueber ein Thema, das auch landesweit zu einem Politikum geworden ist: „Was ist Beschneidung? Welche Gefahren drohen den jungen Maedchen? und was sind die Folgen? starker Blutverlust, Infektionsrisiko (AIDS, Tetanus), verspaetete, schmerzhafte und schwierige Geburten.“
Mit Hilfe einer bescheidenen Finanzierung des Programms Mali-Nord hat Lobo Bocoum im Juli 2004 eine Aufklaerungstour durch zwanzig Doerfer unternommen, im November/Dezember eine weitere durch 15 Doerfer. Ihre Besuche kuendigt sie im Radio an, faehrt am fruehen Abend mit ihrem Motorrad in das jeweilige Dorf und meldet sich beim Dorfchef. Die Versammlungen beginnen gegen zwanzig Uhr und dauern „manchmal bis Mitternacht“. Frauen, Jugendliche, auch Maenner nehmen teil. Da noble Frauen delikate Fragen in der Oeffentlichkeit nicht stellen koennen, werden sie von der Griotte des Dorfes vorgebracht: Gesundheitliche und soziale Folgen der Beschneidung sind die zentralen Themen.
Ihre Kampagne ist erfolgreich. Neben den Gefahren fuer den Leib ist der wirtschaftliche Faktor ein nicht zu unterschaetzender Grund, warum die Frauen (durchaus mit Zustimmung der Maenner und auch des Dorfchefs) die Genitalverstuemmelung der Maedchen zunehmend unterlassen wollen. Beschneidungen kosten Geschenke und viel Geld. Aus Anlass von Beschneidungen sind Feste auszurichten und die Verwandten einzuladen.
Wir besprechen die naechste Etappe der Aufklaerungs- und Beratungskampagne in den uebrigen zwanzig Doerfern der Kommune von Sarafere. Einige Doerfer haben Lobo Bocoums Besuch schon angemahnt und sich gefragt, warum sie bislang nicht zu ihnen gekommen ist. Am lokalen Rundfunk laesst sich nichts verheimlichen, da hoeren alle mit.
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