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Juli 2008
Nirgends im Norden Malis faellt der Uebergang von der grossen Hitze und den Sandstuermen der ausgehenden Trockenzeit zu den oft ueppigen Niederschlaegen der einsetzenden Regenzeit dramatischer aus als im Binnendelta des Niger. Hier beginnt sich um diese Jahreszeit die gesamte Landschaft zu veraendern. Konnte man eben noch alle trocken gefallenen Flussbetten zu Fuss oder mit dem Auto durchqueren, geht das mit dem Eintreffen der Nigerwasser nur noch per Boot und/oder Faehre. Man fuehlt sich wie im Wattenmeer, Flut und Ebbe finden aber nur ein Mal im Jahr statt.
In Koumaira am Bara Issa, dem groessten Seitenarm des Niger, treffen die Wasser des Niger meist Mitte Juli ein; dieses Jahr jedoch bereits am 24. Juni, drei Wochen frueher als normal und sieben Wochen frueher als im letzten Jahr. Alle hoffen, der Unterschied von 43 Tagen schlaegt sich positiv auf die Reisernte nieder. Im letzten Jahr fiel der Ertrag wegen der zeitlichen Verschiebung vielerorts um 20 % (von 6 Tonnen pro Hektar auf 5 Tonnen).
Auch im Dorf Bande trocknet das Flussbett (des Dioni) in der Trockenzeit bis auf einige Wasserloecher aus. Der erste Regen hat Anfang Juli eines der Wasserloecher anschwellen lassen. Die Maedchen und Jungen aus dem gleichnamigen Dorf nutzen das seichte Wasser, um die letzten Schlammfische zu fangen (Bild 1).
Das vierzig Hektar grosse Bewaesserungsfeld von Assi liegt am Bara Issa. Anfang Juli sind die Pflaenzchen in den Saatbeeten gross genug zum Umsetzen auf die Parzellen. Ueberall sieht man Bauern und Baeuerinnen, ja ganze Familienverbaende bei der Arbeit auf den Feldern, sie verziehen oder „repikieren“ die jungen Reispflaenzchen (Bild 2). Aus den Saatbeeten werden die Setzlinge gezogen (Bild 3), gebuendelt (Bild 4) und anschliessend auf die Felder transportiert (Bild 5).
Vor dem Repikieren der Setzlinge wird der Boden gepfluegt (Bild 6). Seit dem Jahr 2000 sind am Bara Issa durch das Programm Mali-Nord 79 Bewaesserungsfelder entstanden. Auf allen wird der Boden heute nicht mehr mit der traditionellen kurzstieligen Hacke aufgelockert, sondern mit dem Pflug. Wer kein eigenes Gespann hat, kann eins mieten. Fuer das Pfluegen eines Viertel Hektars verlangt der Tierhalter 4.000 FCFA (= 6 Euro).
Hier, im Gourma von Niafunke, er umfasst vier Landgemeinden mit 205 Doerfern, sind die Kulturen der Bamana und der Songhai bestimmend, beides Kulturen sesshafter Ackerbauern, beides Kulturen, die auf dem Anbau von Hirse basieren. Sobald der erste Regen sich ankuendigt, wird deshalb die Hirse gesaet. Der Mann hackt in schnellem Rhythmus den Boden in Abstaenden von je einem Schritt auf. Frau und Kinder kommen kaum nach, in jedes Loch legen sie ein paar Samenkoerner (Bild 7). Sofern der Regen nicht ausbleibt und die Niederschlaege sich zwischen Juli und September gleichmaessig verteilen, kann diese Familie Mitte Oktober etwa 600 kg Hirse pro Hektar ernten.
Das Bewaesserungsfeld von Doyo II in Sarafere wurde 2001 ausgebaut und ist Jahr fuer Jahr bestellt worden. In den sieben Anbaujahren seitdem hat man hier im Schnitt 6 Tonnen pro Hektar geerntet. Alhassan Cisse, Bellah, (Bild 8) gehoeren auf diesem Bewaesserungsfeld zwei Parzellen von je einem Viertel Hektar: „In der Erntezeit kommen mehr als zwanzig Menschen zu mir, manche von weither, selbst aus Menaka (700 km entfernt). Solange sie hier sind, muss ich sie verpflegen, wenn sie wieder gehen, muss ich ihnen von meinem Reis geben. Manche bleiben zwei Monate lang. Die Ernte einer meiner beiden Parzellen geht nur fuer Andere drauf.“ Alhassan Cisse ist erregt, waehrend er das erzaehlt. Die Maenner, die um ihn herum sitzen, bestaetigen das. „Viele der kleinen Bauern bleiben arm, weil der soziale Druck zu gross ist“, sagt der Bewaesserungsingenieur Nouhou Maiga.
Wer hat, muss teilen. Das hindert die kleinen Bauern und Baeuerinnen daran, Reserven zu bilden und ihre Produktion zu sichern. Insofern ist die Dichte der Bewaesserungsfelder ein wesentlicher Teil, ja eine Vorraussetzung für Nachhaltigkeit: Erst wenn die soziale Last auf genuegend Schultern ruht, droht kein einzelner mehr, unter ihr zusammen zu brechen.
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