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Dezember 2008
Anfang Dezember ist in der Region von Timbuktu eine kleine Voelkerwanderung unterwegs. Die Wanderarbeiter folgen dem Ernterhythmus. Frueher zogen sie von See zu See, um den Tiefwasserreis zu ernten. Seit einigen Jahren ziehen die vielen Bewaesserungsfelder die Schnitter und Drescherinnen an (Bild 1).
Der Niger und seine Seitenarme haben jetzt ihren hoechsten Stand erreicht. Das Binnendelta laeuft ueber. Reisen an den Bara Issa sind nun zeitaufwendig und umstaendlich. Die Wege dauern doppelt so lange wie sonst. Die Faehr-Maenner haben Muehe, die Faehren ueber den Mayel und den Koli-Koli zu staken. Fuer unser Auto wird notfalls ein provisorischer Weg gebaut (Bild 2).
Manche Orte und Bewaesserungsfelder sind mit dem Auto unerreichbare Inseln geworden. Die Menschen bewegen sich per Eselskarren oder Piroge, wo es nicht anders geht, watet man durch das Wasser. Die Schnitter stehen bis zum Oberschenkel im Wasser. Pirogen dienen als Ablage fuer die geschnittenen Aehren (Bild 3).
Der Wasserstand dieses Jahres, sagen viele, reicht an die Jahrhundertflutwelle des Jahres 1994 heran. Alle Mare, die der Fluss ueberflutet, werden sich fuellen und grosse Flaechen fuer den Anbau von Hirse, Sorghum, Erdnuessen, Gombos werden ab Januar bereit stehen. Anschliessend erwartet man grossen Fischreichtum. Das klingt fast nach Schlaraffenland. Dagegen steht die Schar der Verwandten und Fremden, die sich zur Erntezeit auf den Bewaesserungsfeldern einfinden. Die Sozialabgaben steigen proportional zu den Ueberschuessen und die Klagen darueber nehmen zu und werden lauter. „Die Fremden kamen, ohne dass wir sie riefen.“
Auf dem Bewaesserungsfeld von Bande (Gemeinde Koumaira) hat die Ernte am Tag unseres Besuchs begonnen. 16 Maenner, darunter der Eigner der beiden Parzellen (zusammen ein halber Hektar), brauchen fuer das Einbringen der Ernte einen Arbeitstag. Der Lohn liegt bei zwei saval (Hohlmass) pro Tag und Person (das sind 7,5 kg ungeschaelter Reis) und zwei Mahlzeiten.
Alles geschieht hier in Handarbeit und mit lokalem Material: geschnitten werden die AEhren, barfuss und ohne Handschuhe, mit der lokal gefertigten Sichel (Bild 4), gebunden werden die Garben mit gespaltenen und aneinander geknuepften Strippen aus Palmwedeln (Bild 5), zugenaeht werden die Reissaecke mit Faeden aus Palmblaettern (Bild 6). Jede Garbe wird auf dem Kopf zum Dreschplatz getragen (Bild 7). Am Bara Issa wird die Ernte auf allen achtzig Bewaesserungsfeldern bereits mit Maschinen gedroschen, ganz im Gegensatz etwa zum Sektor Dire.
Auf dem Bewaesserungsfeld der Frauen in N’Gorkou kostet der Ernteschnitt ebenfalls zwei saval pro Tag und Person. Die Erntearbeiter von Penda Bore (Praesidentin des Bewaesserungsfeldes der Frauen) kommen aus einem fuenfzehn Kilometer entfernten Dorf: „Das sind Bambara wie ich, denen vertraue ich, die stehlen keinen Reis.“ In ihrem Hof stapeln sich sechzig Reissaecke, die Ernte von ihren drei Parzellen.
Die Bewaesserungslandwirtschaft hat nicht nur den Getreideanbau belebt, sondern auch die Viehzucht. Tabaski (das muslimische Opferfest Eid al-Adah) steht vor der Tuer, dieses Jahr faellt es auf den 9. Dezember. Jede muslimische Familie, die es sich leisten kann, schlachtet an diesem Tag einen Hammel im Gedenken an Allah, der Ibrahim anstelle seines Sohns Ismail einen Hammel als Opfer unterschob. Die Region vom Timbuktu ist der groesste Lieferant von Hammeln in Mali. In Dire werden vor dem Fest hunderte von ihnen nach Mopti verladen (Bild 8).
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