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Oktober 2009
Ganz Mali praesentiert sich Ende Oktober als eine grosse Anbauflaeche fuer Traubenhirse (Sorghum) und Kolbenhirse (Mil). Auf den sandigen und trockenen Boeden im Duenenfeldbau des Nordens wird Kolbenhirse angebaut. Dies ist eine kleinbaeuerliche Kultur. Die Ertraege schwanken um 600 kg pro Hektar. Jede Familie bestellt ihren eigenen Acker, erntet ihn ab und lagert die Kolben oft noch monatelang auf dem Feld. Man transportiert nur so viel ab, wie in den haeuslichen Speicher passt.
Im Kreis von Niafunké registriert man im langfristigen Jahresmittel 250 mm Niederschlaege. Noch wichtiger als die kumulative Menge der Niederschlaege ist jedoch deren Verteilung. Im Jahr 2008 fielen an zwanzig Tagen 350 mm Regen, das lag deutlich ueber dem Mittelwert. Die Regen begannen aber frueh, manche waren zu stark, und der letzte Regen fiel Anfang September. Die Hirse konnte nicht ausreifen und vertrocknete am Halm. Trotz hoher Niederschlaege gab es nur eine kuemmerliche Ernte.
In diesem Jahr lagen die Niederschlaege im selben Kreis bei 268 mm, also nur unwesentlich ueber dem Mittelwert. Zwischen Juli und September regnete es aber gut verteilt an 21 Tagen, davon drei- oder vier Mal noch im September. Das bekam der Hirse bestens. „Eine solche Hirseernte hatten wir seit mehr als zehn Jahren nicht mehr“, heisst es im Dorf. Diese Ernte schafft bei den Bauern Nahrungssicherheit und Vorrat fuer zwei oder drei Jahre: Aus Hirse besteht die Gruetze am Morgen und der feste Brei (To) am Abend. Reis gibt es mittags.
Die Ernte ist ueberall im Gange (Bilder 1 und 2), Jedes Jahr reisen die Musiker an, um den doerflichen Erntedank zu begleiten (Bild 3) und von ihm abzuschoepfen. Die Ernte wird im Dorf zu einem veritablen Fest und die Hirse wird zum Zahlungsmittel. Einen Abend spielen die Musiker auf, einen Abend zeigen sie einen Videofilm. Zehn Kolben Hirse kostet der Eintritt. Auch die kleinen, lokalen Einkäufe (z. B. Milch, Salz, Fisch) werden im Austausch mit Hirse getaetigt.
Im kommenden Jahr wird es also die magere Zeit der „soudure“, der Knappheit (Ueberbrueckung) zwischen den Ernten kaum geben, in der die Familien die Anzahl der Mahlzeiten sonst haeufig halbieren muessen. Der Preis fuer Reis wird unter der ueppigen Hirseernte leiden, die Bauern werden Schwierigkeiten haben, ihn zu ordentlichen Preisen abzusetzen. Und die Preise fuers Vieh werden steigen. Viehhalter sind nach der guten Hirseernte nicht darauf angewiesen, Tiere zu verkaufen, um sich mit Getreide einzudecken, und Ueberschuesse werden grundsaetzlich immer in Vieh investiert.
Die Regenzeit 2009 hat spaet begonnen, entwickelte sich dann - entgegen allen Erwartungen - zu einer sehr guten. Nun sollte sie aufhoeren, tut es aber nicht. An den letzten zwei Tagen des Oktober gab es ueber ganz Mali einen 48 Stunden anhaltenden Dauerregen, der das Binnendelta des Niger in ein Wattenmeer verwandelte (Bild 4). An manchen Orten wurden 75 mm Niederschlag gemessen, fast ein Drittel der normalen Jahresmenge. Nun nutzt der Regen nicht mehr, sondern schadet nur. Die Wurzeln der Graeser auf den bereits trockenen Weideflaechen verfaulen davon und die bereits geerntete, aber noch nicht eingebrachte Hirse muss getrocknet werden, damit sie nicht dunkel und bitter wird.
Seit dem Jahr 2000 sind in den vier Kommunen des Gourma von Niafunké mehr Bewaesserungsfelder (périmètres irrigués villageois PIV) entstanden als anderswo: in zehn Jahren 101 PIV mit einer Gesamtflaeche von 3.800 Hektar. Investiert worden sind hier sechs Millionen Euro, vierhundert Euro pro Kleinbauer oder baeuerin und diese sind damit der absoluten Armut entronnen. 15.000 von ihnen haben heute auf den Bewaesserungsfeldern eine Parzelle. Sie haben die neue Technologie angenommen und den landwirtschaftlichen Kalender des Reisanbaus in ihren Alltag integriert. Bis auf drei Ausnahmen sind seit dem Jahr 2000 jedes Jahr alle Felder bestellt worden. (2004 fiel auf einem Feld mitten in der Kampagne die Motorpumpe aus; 2007 gab es auf einem Feld Bodenstreitigkeiten; 2009 fiel ein Feld dem zu spaet im trockenen Flussbett einlaufenden Wasser zum Opfer). Die Ausfaelle beliefen sich insgesamt auf weniger als 1 %.
Selten waren die Ernte-Zyklen so unterschiedlich wie in diesem Jahr. Wer genug Wasser hatte, um sein Saatbeet zu waessern, hat mit der Ankunft der Flutwelle die Reispflaenzchen vereinzelt und ist Ende Oktober bereits am Ernten (Bild 6). Wer dieses Glueck nicht hatte, muss bis Dezember warten und gegen die Voegel (qualea qualea) ankaempfen.
Ein neues Phaenomen: Bauern, die sich auf den Bewaesserungsfeldern des Programms Mali-Nord mit der neuen Technik vertraut gemacht haben und zu etwas Geld gekommen sind, fangen an, sich nebenan auf eigenem Feld von wenigen Hektar mit einer kleinen Motorpumpe selbstaendig zu machen. Ein Dutzend solche Faelle registriert man in diesem Jahr am Bara Issa. Auf den jungfraeulichen Boeden sind die Ertraege sehr gut (Bilder 6 und 7).
In Diré gehen die Bauarbeiten am Komplex Mali-Nord zuegig weiter und die Halle fuer die Duengemittel ist inzwischen fast fertig (Bild 8).
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